28.4.2023
Kauf und Verkauf von Arztpraxen
Das entscheidende Kriterium eines Vertrages zugunsten Dritter - für ihn den Arzt - besteht darin, dass er dem Arzt
hinsichtlich seiner Sicherheit und Umsatzerwartungen nicht ferner steht, als die den Vertrag abschließende
Gemeinschaftspraxis.
Die frühere Rechtslage hatte direkte Ansprüche im Vertrag der Praxis mit dem Arzt zugunsten des Nachfolgers aus
dieser Konstruktion, namentlich des Vertrages zugunsten Dritter, gegen den isolierten
Zulassungskauf geschützt. Es war vor Inkrafttreten des Vertragsarztrechts vom 17.8.2016 die herrschende Meinung,
dass es sich bei einem Kaufvertrag zwischen zwei Ärzten um einen solchen zugunsten des Praxispartners, also des
angestellten Vertragsarztes handelt. Dieser Vertrag unterliegt den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches.
Übernahme einer bestehenden Arztpraxis
Der Zulassungsausschuss muss aufgrund der ihm vorgelegten Unterlagen sowie der Auskünfte sachkundiger Stellen mit
an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Sachkunde des Bewerbers feststellen können. Hat er aufgrund der
vorgelegten Nachweise Bedenken, ob der Bewerber über ausreichende Fachkenntnisse auf dem beantragten Gebiet
verfügt, ist er befugt, zur Behebung der Zweifel eine Prüfung durchzuführen. Zwar sehen die Zulassungsverordnung
und die hierzu ergangenen Verordnungen an keiner Stelle ein förmliches Prüfungsverfahren vor. Doch besagt dies
nicht, dass eine Prüfung seitens der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) schlechthin unzulässig ist. Die KV ist
vielmehr im Rahmen des Amtsermittlungsprinzips gehalten zu versuchen, verbliebene Zweifel am Inhalt der
Praxiskaufverträge auszuräumen.
Dabei stellt diese Prüfung keine die Zulassung einschränkende Maßnahme dar, sondern vielmehr eine Erleichterung
zugunsten des Vertragsarztes, indem ihm Gelegenheit gegeben wird, die nach Auswertung der von ihm vorgelegten
Unterlagen und der Anhörung der gesetzlichen Krankenversicherungen noch verbliebenen Zweifel durch eine nähere
Prüfung zu beheben. Die KV darf sich daher nicht darauf beschränken, die ihr vorgelegten Unterlagen
entgegenzunehmen und sie allein zum Gegenstand des Zulasungsverfahrens zu machen.
Aufgrund des Vertrages ist der Arzt, wenn er die bestehende Praxis übernimmt, dem Verkäufer gegenüber verpflichtet,
die bisherigen Patienten der Praxis zu den entsprechenden Bedingungen zu behandeln, wenn sich der
Patient
als gesetzlich Versicherter durch Vorlage eines Krankenscheins ausweist. Das Bestehen eines Praxiskaufvertrages hat
für den abgebenden Vertragspartner erhebliche Bedeutung: Er kann den behandelnden Arzt auf die Erfüllung der
Vertragspflichten
unmittelbar, und zwar aus eigenem Recht, in Anspruch nehmen.
Die Gestaltung eines schriftlichen Kaufvertrages durch einen Fachanwalt ist nicht nur unter dem Gesichtspunkt der
Vermeidung von Schadensersatzansprüchen, sondern auch im Hinblick auf eine bereits bestehende Zulassung zur
vertragsärztlichen Versorgung und die Übernahme derselben durch den Praxisnachfolger mehr oder weniger
unverzichtbar. Bei jedem
Praxiskauf
oder Praxisverkauf muss ein schriftlicher Kaufvertrag geschlossen und dem Zulassungsausschuss vorgelegt werden, um
die Übernahme der Zulassung zu ermöglichen; die KBV hat dies im Jahre 2017 nochmals bestätigt.
Alle einzelnen Bedingungen des Vertrags sind durch die Einführung des § 368d Abs.4 vorgegeben. Dies führt im
Ergebnis zu drei Konsequenzen:
1)
Aus der Fassung des § 368 ergibt sich, dass der Praxisnachfolger einen unmittelbaren vertraglichen Anspruch gegen
den Verkäufer hat, der die bisherigen Patienten der Praxis nicht weiter behandeln darf, und auch im Übrigen den
Regelungen des
vertraglichen Konkurrenzschutzes
unterworfen ist. Es entsteht also ein Vertrag durch Angebot und Annahme einer Konkurrenzschutzklausel, und zugleich
mit der Übernahme des bestehenden Praxisbetriebes durch den Käufer aufgrund seiner Zulassung.
2)
Die Beziehungen zwischen dem übernehmenden Arzt und den vorhandenen Patienten der Praxis sind völlig offen und
zwingen zu keinerlei vertraglichem Verhältnis. Die Patienten des bisherigen Patientenstammes werden so behandelt,
als ob sie einen vertraglichen Anspruch auf Übernahme der
Patientenkartei
hätten. Diese Regelung besteht auch für Schadenersatzansprüche des die Praxis abgebenden Verkäufers wegen Verstoßes
gegen den vereinbarten Konkurrenzschutz und den Gebietsschutz gemäß § 276 BGB. Es wird so angesehen, als ob
zwischen dem Praxisverkäufer und dem Praxiskäufer ein Kaufvertrag nach dem bürgerlichen Recht zustande kommt, so
wie es im Verhältnis zwischen Arzt und dem Praxispersonal der Fall ist.
3)
§ 368 stellt allerdings keinen Übernahmevertrag dar, weder in zivilrechtlicher noch in zulassungsrechtlicher
Hinsicht läßt dies ein Rechtsverhältnis zwischen dem Arzt und dem Patienten zustandekommen. Die Übernahme der
Praxis samt allen materiellen und immateriellen Werten, also dem Patientenstamm und dem Goodwill, wird vielmehr
unter dem Gesichtspunkt des Zeitpunkts des Vertragsabschlusses und des für den Patientenstamm sowie den Wert der
Zulassung gezahlten Kaufpreises beurteilt.
Durch den Erwerb der bestehenden Praxis samt Inventar, Personal und Patientenstamm tritt eine unmittelbare
Rechtsnachfolge ein, die nicht durch etwa mangelnde Umsätze oder eine fehlende Zulassung beeinträchtigt werden
kann.